In den 1960ern: Lager für Homosexuelle – und heute: eine Tochter des Staatschefs, Mariela Castro, die öffentlich für die gesellschaftliche Akzeptanz von Schwulen, Lesben und Transsexuellen einsteht. Der staatliche Umgang mit Homosexualität hat sich in Kuba in den letzten 50 Jahren stark verändert – doch von Gleichberechtigung ist Kubas LGBT-Comunity immer noch weit entfernt.
Was mit den Homosexuellen in Kuba geschah, das sah ein Kinopublikum in Europa erstmals 1984. In jenem Jahr kam der in Frankreich von Margaret Menegoz und Barbet Schroeder produzierte Dokumentarfilm «Conducta impropia» in die Kinos. Die 1962 aus Kuba geflüchteten Regisseure Nestor Almendros und Orlando Jiménez Leal zeigten darin anhand von Archivaufnahmen und mit Zeitzeugen Bilder von Repression, Ausgrenzung und Verfolgung – was so gar nicht zur romantischen Vorstellung einer von sozialer Gerechtigkeit und freier Entfaltung des Menschen geprägten Revolution passte, die damals viele Linke in Europa und Amerika hatten. Entsprechend wütend waren die Reaktionen auf den Film. Verstärkt wurde die Wut noch, weil darin nicht nur Kubaner/innen, sondern auch prominente ausländische Linksintellektuelle wie Susan Sonntag oder Juan Goytisolo von ihren Erfahrungen mit Fidel Castros Regime erzählten. Aus Kuba selber meldete sich dann Starregisseur Tomás Gutiérrez
? Alea, bezeichnete den Film als plump und manipulativ, kritisierte, Einzelfälle längst überwundener Zeiten würden hervorgeholt. Und tatsächlich: Die Arbeitslager, in die das Regime ab 1965 Zehntausende von Homosexuellen, «Arbeitsscheue» sowie politisch oder religiös Suspekte sperrte, wurden 1968 aufgelöst – aber staatlich drangsaliert wurden Homosexuelle bis in die 80er.
Man lese dazu die Lebenserinnerungen von Reinaldo Arenas, 1992 posthum unter dem Titel «Antes que anochezca» erschienen und 2000 von Julian Schnabel als «Before Night Falls» (mit Javier Bardem in der Hauptrolle) verfilmt. Arenas hatte als Jugendlicher für die Revolution gekämpft, wurde im Kuba der 1960er als literarischer Jungstar gefeiert und geriet Ende des Jahrzehnts wegen seiner Homosexualität in die Mühlen des Repressionsapparats – als Zeuge davon erscheint er auch in «Conducta impropia». 1980 flüchtete er aus Kuba. Von da an war er bis zu seinem Tod 1990 im Exil eine für das Regime sehr unbequeme Stimme.
Bei aller Repression waren die 90er-Jahre aber auch eine Zeit, in der sich die Lage für Homosexuelle in Kuba langsam verbesserte. Einen wichtigen Anteil daran hatte ausgerechnet Tomás Gutiérrez Alea, der ein knappes Jahrzehnt zuvor noch ganz anders agiert hatte. Seinen im Dezember 1993 uraufgeführten, in Co-Regie mit Juan Carlos Tabío realisierten Spielfim «Fresa y chocolate» verstand Alea, wie er 1996 in einem Interview kurz vor seinem Tod betonte, auch als Antwort auf «Conducta impropia». Vor allem aber löste der Film mit seinem – auf einer Kurzgeschichte von Senel Paz basierenden – hochemotionalen Plot von der Freundschaft zwischen einem Jungkommunisten und einem schwulen Schriftsteller in Kuba viele Verkrampfungen, ebnete den Weg für Diskussionen über die unerträgliche Situation von Homosexuellen. Und Kubas Filmszene verdankt diesem Werk sehr viel.
Die in unserer Reihe gezeigten Filme machen das eindrücklich klar. So etwa die der homosexuellen Regisseure Juan Carlos Cremata und des über 80-jährigen Enrique Pineda Barnet. Während diese bezüglich Explizitheit und in ihrer Anklage gegen Heuchelei und Doppelmoral verblüffen, ist «Vestido de novia» der erste kubanische Spielfilm, in der es um Transsexualität geht. Und mit seiner Regisseurin, Marilyn Solaya, schliesst sich auch ein Kreis: Ihr Kinodebüt hatte sie als Nebendarstellerin in «Fresa y Chocolate». Geri Krebs
Zusätzlich zu diesem Filmprogramm ergänzt ein Pink Talk zum Thema «Queer Cuba» diesen Festival Schwerpunkt.
In Zusammenarbeit mit Cuba im Film, Frankfurt-Höchst.
Was mit den Homosexuellen in Kuba geschah, das sah ein Kinopublikum in Europa erstmals 1984. In jenem Jahr kam der in Frankreich von Margaret Menegoz und Barbet Schroeder produzierte Dokumentarfilm «Conducta impropia» in die Kinos. Die 1962 aus Kuba geflüchteten Regisseure Nestor Almendros und Orlando Jiménez Leal zeigten darin anhand von Archivaufnahmen und mit Zeitzeugen Bilder von Repression, Ausgrenzung und Verfolgung – was so gar nicht zur romantischen Vorstellung einer von sozialer Gerechtigkeit und freier Entfaltung des Menschen geprägten Revolution passte, die damals viele Linke in Europa und Amerika hatten. Entsprechend wütend waren die Reaktionen auf den Film. Verstärkt wurde die Wut noch, weil darin nicht nur Kubaner/innen, sondern auch prominente ausländische Linksintellektuelle wie Susan Sonntag oder Juan Goytisolo von ihren Erfahrungen mit Fidel Castros Regime erzählten. Aus Kuba selber meldete sich dann Starregisseur Tomás Gutiérrez
? Alea, bezeichnete den Film als plump und manipulativ, kritisierte, Einzelfälle längst überwundener Zeiten würden hervorgeholt. Und tatsächlich: Die Arbeitslager, in die das Regime ab 1965 Zehntausende von Homosexuellen, «Arbeitsscheue» sowie politisch oder religiös Suspekte sperrte, wurden 1968 aufgelöst – aber staatlich drangsaliert wurden Homosexuelle bis in die 80er.
Man lese dazu die Lebenserinnerungen von Reinaldo Arenas, 1992 posthum unter dem Titel «Antes que anochezca» erschienen und 2000 von Julian Schnabel als «Before Night Falls» (mit Javier Bardem in der Hauptrolle) verfilmt. Arenas hatte als Jugendlicher für die Revolution gekämpft, wurde im Kuba der 1960er als literarischer Jungstar gefeiert und geriet Ende des Jahrzehnts wegen seiner Homosexualität in die Mühlen des Repressionsapparats – als Zeuge davon erscheint er auch in «Conducta impropia». 1980 flüchtete er aus Kuba. Von da an war er bis zu seinem Tod 1990 im Exil eine für das Regime sehr unbequeme Stimme.
Bei aller Repression waren die 90er-Jahre aber auch eine Zeit, in der sich die Lage für Homosexuelle in Kuba langsam verbesserte. Einen wichtigen Anteil daran hatte ausgerechnet Tomás Gutiérrez Alea, der ein knappes Jahrzehnt zuvor noch ganz anders agiert hatte. Seinen im Dezember 1993 uraufgeführten, in Co-Regie mit Juan Carlos Tabío realisierten Spielfim «Fresa y chocolate» verstand Alea, wie er 1996 in einem Interview kurz vor seinem Tod betonte, auch als Antwort auf «Conducta impropia». Vor allem aber löste der Film mit seinem – auf einer Kurzgeschichte von Senel Paz basierenden – hochemotionalen Plot von der Freundschaft zwischen einem Jungkommunisten und einem schwulen Schriftsteller in Kuba viele Verkrampfungen, ebnete den Weg für Diskussionen über die unerträgliche Situation von Homosexuellen. Und Kubas Filmszene verdankt diesem Werk sehr viel.
Die in unserer Reihe gezeigten Filme machen das eindrücklich klar. So etwa die der homosexuellen Regisseure Juan Carlos Cremata und des über 80-jährigen Enrique Pineda Barnet. Während diese bezüglich Explizitheit und in ihrer Anklage gegen Heuchelei und Doppelmoral verblüffen, ist «Vestido de novia» der erste kubanische Spielfilm, in der es um Transsexualität geht. Und mit seiner Regisseurin, Marilyn Solaya, schliesst sich auch ein Kreis: Ihr Kinodebüt hatte sie als Nebendarstellerin in «Fresa y Chocolate». Geri Krebs
Zusätzlich zu diesem Filmprogramm ergänzt ein Pink Talk zum Thema «Queer Cuba» diesen Festival Schwerpunkt.
In Zusammenarbeit mit Cuba im Film, Frankfurt-Höchst.
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Schweizer Premiere Spielfilm
Im Streit tötet der junge Stricher Karel Darín im Parque Central in Havanna einen Gleichaltrigen. In grosser Panik verlässt er den Tatort. Die Polizei findet die Leiche, und es beginnen die turbulenten Aufklärungsarbeiten: Sie offenbaren das chaotische Privatleben von Karel und beleuchten sein «zwielichtiges» gesellschaftliches Umfeld, in dem er gefangen zu sein scheint. «Chamaco» basiert auf dem gleichnamigen Roman von Abel González Melo, der auch beim Drehbuch mitarbeitete. Reduziert auf das Wesentliche, besticht der Film durch seine Inszenierung, die nicht dem gängigen Erzählkino entspricht.